Maschinelles Lernen: Die rasante Entwicklung von Künstlicher Intelligenz und Design
Ein „Forschungsbereich, der Computer ohne ausdrückliche Programmierung zum Lernen befähigt“, so umschrieb Arthur Samuel, ein Pionier in Sachen Computerspiele einst das „maschinelle Lernen“. Für manche Menschen klingt dies eher negativ – wie eine Schreckensvision aus einem Kinofilm, in dem Computer die Menschheit unterwerfen.
Dabei muss die Zukunft von maschinellem Lernen durchaus kein Schreckensszenario darstellen. Jeff Kowalski, Chief Technology Officer bei Autodesk, zieht es vor, statt aktueller Trends innovative Ideen zu verfolgen und stellt sich die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) für die Menschen sehr viel positiver vor. Erste Anzeichen dafür sind bereits sichtbar.
Hier spricht er darüber, wie das maschinelle Lernen den Fortschritt in Robotertechnik, generativem Design und dem Internet der Dinge beschleunigt, was einen rasanten Wandel darin zur Folge hat, wie Dinge gestaltet und gefertigt werden.
Wie hat sich maschinelles Lernen eigentlich entwickelt?
Vor sechzig Jahren brachte ein Programmierer einer Maschine bei, einen Menschen beim Tic-Tac-Toe (auch bekannt als „Drei gewinnt“) zu schlagen. Seitdem sind Computer schlauer geworden und im Jahr 1997 schlug Deep Blue Kasparov beim Schach. Obwohl das sehr beeindruckend war, beruhte es im Grunde jedoch nur auf der Exhaustionsmethode.
Im Jahr 2011 schaffte es Watson, ein „Nachfahre“ von Deep Blue, mit logischem Denken seine menschlichen Jeopardy!-Gegner zu überwinden. Und vor Kurzem schlug AlphaGo den besten menschlichen Spieler beim Go, dem wohl komplexesten Spiel der Welt, bei dem es mehr mögliche Spielzüge gibt, als Atome im Universum.
Indem AlphaGo eine Art Intuition entwickelte, konnte es seinen menschlichen Gegner überlisten. Selbst die Macher des Programms konnten die Entwicklung dieser Eigenschaft und die daraus folgenden Aktionen nicht mehr bis ins Detail nachvollziehen.
Über die letzten 60 Jahre fand ein exponentieller Prozess statt: Angefangen vom Lernen eines Kinderspiels haben es Computer in weniger als einem Menschenalter bis zum Beherrschen des Spieles gebracht, das als der Gipfel des strategischen Denkens gilt.
Betrachten wir zum Beispiel das Videospiel Breakout von Atari: Die künstliche Intelligenz von DeepMind erlernte das Spiel besser als jeder Mensch – einzig durch die Betrachtung von Spielstand und Bedienereingabe und indem sie über Nacht Millionen von Spielen durchspielte. Das führte zu einem schnelleren Lernprozess, als er je von Menschen herbeigeführt werden könnte und darüber hinaus kann das neu erworbene Wissen direkt an andere Computer weitergegeben werden. Mit anderen Worten: Nur weil Sie in Breakout richtig gut sind, heißt das noch lange nicht, dass auch Ihre Freunde darin gut sein müssen. Aber wenn ein Computer Breakout beherrscht, dann beherrschen es alle – denn sie sind alle miteinander verbunden.
Wie können Branchen und Unternehmen diesen raschen Fortschritt in maschinellem Lernen nutzen?
Als Erstes wird generatives Design dadurch schneller vorankommen. Ein Beispiel dafür ist die Konstruktion eines Quadrokopters: Für den Produktdesigner ist es wichtig, dass der Quadrokopter beim Fliegen und Tragen seiner Nutzlast leistungsfähig ist. Deshalb muss das Chassis leicht sein und einen geringen Strömungswiderstand haben.
Wenn man einem Computer diese Rahmenbedingungen vorgibt, kann er alle möglichen Lösungen durchspielen und Ideen generieren, auf die Konstrukteure alleine niemals kommen würden. Außerdem könnte der Computer diese Entwürfe eigenständig und ohne die zeichnerischen Fähigkeiten eines Menschen erstellen.
Diese Technologie wird von Autodesk bereits gemeinsam mit Airbus bei einem Projekt zur Neukonzeption und Gestaltung einer Flugzeugkabinentrennwand eingesetzt, die stabiler als die bisherige sein und nur halb so viel wiegen wird. Und tatsächlich wird die 3D-gedruckte Trennwand noch vor Ende dieses Jahres in der A320-Reihe zum Einsatz kommen.
Ein weiterer Bereich, der durch das maschinelle Lernen vorangetrieben wird, ist die Robotertechnik. Ein Beispiel dafür ist die als Gemeinschaftsprojekt von Autodesk mit dem Künstler Joris Laarman und dessen Team von MX3D: Mittels generativem Design und robotisiertem Druck entsteht die erste autonom hergestellte Brücke der Welt. In diesem Sommer werden wir auf einen Knopf drücken, und Roboter werden die Brücke aus Edelstahl über einen Kanal in Amsterdam hinweg drucken – ganz ohne menschliches Zutun.
Wird maschinelles Lernen auch den Fortschritt im Bereich Sensorik und dem Internet der Dinge beeinflussen?
Auf jeden Fall. Um das Internet der Dinge weiter zu erschließen, arbeiten wir zusammen mit Hack Rod, einer Forschungsgruppe für Konstruktion und Fertigung und dem Filmstudio Bandito Brothers am Bau eines abgefahrenen Autos mit einem sogenannten „Nervensystem“. Dazu haben wir einen herkömmlichen Rennwagen mit Dutzenden von Sensoren ausgestattet, einen Fahrer von Weltklasse hinter das Lenkrad gesetzt und den Wagen in der Wüste bis an seine Grenzen gebracht.
Über das neue Nervensystem wurde am Auto alles was, während dieser Fahrt geschah, wie zum Beispiel die Kräfte, denen es ausgesetzt war, erfasst. Diese realen Daten – buchstäblich Milliarden von Datenpunkten – wurden anschließend in unser generatives Design-Tool Project Dreamcatcher eingegeben.
Das Ergebnis könnte kein Mensch je so entwerfen: das ultimative Chassis. Und dennoch wurde es mit Hilfe von generativem Design, fortschrittlicher Robotertechnik und dem digitalen Nervensystem verwirklicht.
Das klingt alles sehr futuristisch. Was kommt denn als Nächstes?
Im Zuge der Weiterentwicklung von maschinellem Lernen wird auch das generative Design schneller voranschreiten – indem es die Reaktionen von Konstrukteuren auf Designvorschläge aufzeichnet und deren unausgesprochene Vorlieben in den Designprozess integriert. Außerdem wird maschinelles Lernen Robotern die Fähigkeit geben, unabhängig von expliziten Anweisungen von Konstrukteuren Aufgaben zu erledigen. Darüber hinaus wird maschinelles Lernen den Input über das neue digitale Nervensystem – auch als das Internet der Dinge bekannt – dazu nutzen, die reale Welt wahrzunehmen und intelligent darauf zu reagieren.
Bis vor Kurzem haben Konstrukteure Computer lediglich zur Lösung von logischen Problemstellungen genutzt. Computer stoßen aber immer stärker in den Bereich der menschlichen Kreativität vor. Wenn sie erst einmal die grundlegende Essenz eines Stuhls verstanden haben, können sie dabei helfen, Stühle besser zu gestalten. Das gemeinsame Verständnis zwischen Konstrukteur und Computer macht Letzteren zu einem besseren kreativen Partner.
Was wird passieren, wenn Computer Zusammenhänge ebenso wie Menschen eigenständig verstehen und kreative Gedankensprünge vornehmen können? Dies wird die Rolle des Konstrukteurs im kreativen Prozess von Grund auf verändern. Er wird dann in Bezug auf Computer eher die Rolle eines Mentors einnehmen, Führung geben und seine Erfahrung einbringen.
Im Laufe der Geschichte haben Menschen die Welt geprägt. Im nächsten Schritt werden sie die Dinge prägen, die die Welt prägen. Und es wird anders sein, als alles was wir bisher kennen: eine noch nie dagewesene Mischung aus Technologie und Menschlichkeit. Wir sehen einer wirklich aufregenden Zukunft entgegen.