Könnten mit Moskitos beladene Drohnen tödlichen Seuchen wie Zika ein Ende setzen?
Moskitos sind den Meisten vor allem als lästige Plagegeister während der Sommerzeit bekannt. Doch laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind die Blutsauger weltweit für Millionen von Todesfällen verantwortlich – und damit die weltweit tödlichste Spezies überhaupt. Allein an Malaria sterben jährlich mehr als 435.000 Menschen, während weitere von Moskitos übertragene Krankheiten wie das Zika-, West-Nil-, Chikungunya- oder Dengue-Virus unzählige weitere Opfer fordern.
In den Augen der Schweizer NGO WeRobotics sollen ausgerechnet Moskitos die Lösung des Problems liefern. Die Organisation setzt auf modernste Technik und Gestaltungskunst, um mit den stechenden Biestern verbundenen Epidemien den Garaus zu machen – mit einer Drohne, die die Insekten in betroffenen Gebieten gezielt freisetzt.
Hinter dieser auf den ersten Schein eher kontraproduktiv anmutenden Idee steckt ein echter Geniestreich: Bei den Mücken handelt es sich um nicht-stechende, sterilisierte Männchen, die ihren infizierten Artgenossen auf der Suche nach paarungswilligen Weibchen Konkurrenz machen und sie so zumindest teilweise an der Fortpflanzung hindern.
Eine neue Hoffnung im Kampf gegen Epidemien
Bereits seit Jahrzehnten vertraut man bei der Ausrottung von Mückenpopulationen zur Eindämmung von Seuchen in erster Linie auf Insektenschutzmittel und Ausräucherung.
Die Herangehensweise von WeRobotics basiert hingegen auf einer bewährten Alternative namens Sterile-Insekten-Technik (SIT), die im Kampf gegen verschiedene von Insekten übertragene Krankheiten zum Einsatz kommt. Da aus den unbefruchteten Eiern kein Nachwuchs schlüpft, kommt es im Laufe der Zeit zu einem Rückgang der infizierten Mückenpopulation.
Am wirkungsvollsten zeigt sich die SIT, wenn in dem betroffenen Gebiet stetig neue Schwärme steriler Mücken ausgesetzt werden: Für eine effektive Seuchenkontrolle müssen diese den fruchtbaren Männchen zahlenmäßig mindestens um das Zehnfache überlegen sein. In abgelegenen ländlichen Gebieten stößt die Methode jedoch schnell an ihre Grenzen. Nicht immer sind von Seuchen betroffene Gegenden über herkömmliche Straßen erreichbar, und allein per Fußmarsch können selbst die abenteuerlustigsten Freiwilligen keine größeren Distanzen bewältigen.
Glücklicherweise sind solche für Menschen unzugänglichen Orte für Drohnen auf dem Luftweg erreichbar.
„Wir sind der Meinung, dass Drohnen in dieser Hinsicht eine Menge Potenzial bergen, da sie auch abgelegene Orte anfliegen können“, erklärt Andrew Schroeder, Mitbegründer und Leiter der Forschungs- und Analyseabteilung von WeRobotics. „Drohnen ermöglichen eine gleichmäßige Verteilung der Insekten. Theoretisch müssten sich die Chancen eines erfolgreichen Sterilisierungsprogrammes also allein dank des Freisetzungsmechanismus erheblich verbessern.“
Mit nur einem kurzen Flug könnten die WeRobotics-Drohnen ganze Dörfer, Städte und abgelegene Gebiete mit Hunderttausenden sterilen Mückenmännchen versorgen, um der Vermehrung krankheitsübertragender Insekten – insbesondere solcher, die das Zika-Virus in sich tragen – Einhalt zu gebieten.
„Die Drohnen sind ein Mittel zum Zweck. Ziel ist es, den Populationsanteil an sterilen Moskitos zu steigern“, erläutert Schroeder. „Natürlich gäbe es auch andere Möglichkeiten. Man könnte die Insekten in einen Rucksack packen, auf einem Fahrrad durch die Gegend fahren und sie nach und nach freilassen.“
WeRobotics arbeitet eng mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und ihrer Partnerstiftung Moscamed Brasil zusammen. Über die beiden Organisationen konnte das Unternehmen nicht nur Kontakte zu Züchtern für die Beschaffung steriler Stechmücken knöpfen, sondern auch geeignete Schauplätze zum Testen seiner Drohnen ausfindig machen.
„Ich bin kein Experte, was die Sterile-Insekten-Technik angeht“, gesteht Schroeder. „Dementsprechend sind meinem Verantwortungsbereich klare Grenzen gesetzt – das gilt auch für den Rest des Teams. Doch durch Zusammenarbeit und einen offenen, wechselseitigen Dialog mit unseren Partnern ist es uns gelungen, konkrete Strategien zu formulieren.“
Mit gekühlten Moskitos beladene Drohnen
Nachdem die entsprechenden Partner gefunden waren, machte sich das Team daran, eine Drohne mit dem Moskitocontainer auszustatten. Doch bereits der erste Schritt in diesem Prozess entpuppte sich als Herausforderung, erinnert sich Jürg Germann, Leiter der Konstruktionsabteilung von WeRobotics: Die winzigen Insekten mussten nicht nur die Aufbewahrung und den Transport im Behälter überleben, sondern auch möglichst bei Kräften wieder freigesetzt werden. Zur Lösung des Problems beschloss man, den kleinen Helfern etwas Abkühlung zu schenken.
Moskitos sind besonders bei wärmeren Temperaturen sehr aktiv – so aktiv sogar, dass sie auf engem Raum Gefahr laufen, sich gegenseitig zu verletzen. Temperaturen zwischen 7 und 10 Grad Celsius setzen die Energiebündel hingegen außer Gefecht. Sie kommen dabei zwar nicht zu Schaden, werden jedoch bewegungsunfähig gemacht, sodass sie während des Transports weder sich selbst noch ihre Artgenossen verletzen können.
Die Luftfeuchtigkeit im Behälter muss zu jeder Zeit unter 60 Prozent liegen, um zu verhindern, dass die darin enthaltenen Moskitos feucht werden und aneinander festkleben. Da sich so Klumpen bilden würden, könnten die Mückenmännchen beim Austreten aus dem Behälter zerquetscht werden.
Als Trägerdrohne für den gekühlten Behälter wählte WeRobotics einen umgebauten M600-Pro-Hexacopter von DJI. Wie Schroeder betont, seien er und seine Kollegen nicht darauf bedacht gewesen, neue Maßstäbe in Sachen Drohnentechnik zu setzen. Aus der Überzeugung heraus, dass ein mit kommerziell erhältlichen Drohnen kompatibles Gerät das größtmögliche Einsatzpotenzial versprechen würde, habe man sich stattdessen auf die Optimierung des Freisetzungsmechanismus der Moskito-Vorrichtung konzentriert.
In rund 100 Metern Flughöhe springt der Motor der Vorrichtung an. Der zylinderförmige Behälter neigt sich nach unten und die regungslosen Moskitos purzeln heraus. Während des freien Falls durch die warme Luft tauen sie auf und erlangen ihre Bewegungsfähigkeit zurück. Wieder bei Kräften mischen sie sich anschließend unter die einheimischen Stechmücken und die Natur nimmt ihren Lauf.
Während der Entwicklungsphase vertraute das Gestaltungs- und Konstruktionsteam von WeRobotics auf Autodesk Inventor, um Bauteilentwürfe vor der Umsetzung mit dem 3D-Drucker simulieren und nach Bedarf entsprechend anpassen zu können. So konnten die mechanischen Bestandteile der Drohnenvorrichtung bereits in den frühen Projektstadien regelmäßig getestet werden, was maßgeblich zum Erfolg des endgültigen Geräts beitrug.
„Keiner von uns hatte Erfahrung mit Moskitos. Wir hatten keine Ahnung, wie vorsichtig man mit ihnen umgehen muss“, erklärt Germann. „Die Aufteilung der Insekten in kleinere Gruppen barg immer auch das Risiko, ihre Flügel zu beschädigen und sie als potenzielle Paarungspartner zu eliminieren.“
Neben den zu überwindenden Hindernissen im Hinblick auf Temperatur und Luftfeuchtigkeit musste das Team auch die maximale Tiefe des Behälters ermitteln, um die Moskitos am Boden der Vorrichtung davor zu bewahren, unter dem Gewicht der oberen Insektenschichten zermalmt zu werden. Nachdem mehrere Tests, bei denen als Ersatz für die obere Insektenschicht Kreuzkümmel verwendet wurden, diese Befürchtungen bestätigten, beschloss man, die maximale Behälterhöhe auf fünf Zentimeter zu beschränken.
Nach einjährigen Tests mithilfe von Rapid-Prototyping war das Team bereit, sein erstes Gerät in der Praxis auf die Probe zu stellen. Als Ort des Geschehens fungierte Brasilien.
Das Land verfügt über Massenzuchteinrichtungen, über die WeRobotics die erforderlichen Mengen an sterilen Moskitos beziehen konnte – ganz zu schweigen davon, dass das lokale Klima mit vielen Regionen vergleichbar ist, die mit von Moskitos übertragenen Seuchen zu kämpfen haben.
Im Zuge mehrerer Testflüge und Feldversuche fand das Forschungsteam von WeRobotics heraus, dass mehr als 90 Prozent der pro Flug freigelassenen 50.000 Moskitos den Transport-, Freisetzungs- und Reanimationsprozess überlebten. Mit einem einzigen Flug konnte eine Drohne dabei Dutzende Hektar überfliegen – genug, um ein kleines Dorf mit sterilen Mückenmännchen zu versorgen. Bei mehreren Flügen am Tag ließen sich so mehr als 100 Hektar abdecken.
„Als es uns erstmals gelang, aus der Drohne freigelassene Moskitos in unseren Moskitofallen einzufangen, wussten wir, dass unsere Idee umsetzbar war – das war ein wirklicher toller Moment“, erinnert sich Germann.
Die Zukunft der Vektorkontrolle
Obwohl die ersten Testläufe dem WeRobotics-Team und seinen Partnern wertvolle Daten, Erkenntnisse und Ideen lieferten, gäbe es eigenen Aussagen zufolge vorerst keine Pläne, die Lösung in größerem Maßstab zu erproben.
„Es fehlt zurzeit noch an der nötigen Datengrundlage, um mit Sicherheit sagen zu können, ob das Ganze wirklich einen nachhaltigen Unterschied macht“, erläutert Schroeder. „Doch wenn man diese Methode über Generationen hinweg konsequent und – was besonders wichtig ist – zum richtigen Zeitpunkt einsetzt, sollte es theoretisch zu einer drastischen Reduzierung krankheitserregender Populationen kommen.“
So viel steht bereits heute fest: Angesichts der wachsenden Notwendigkeit, der Verbreitung krankheitsübertragender Moskitos Einhalt zu gebieten, leistet WeRobotics mit seinem innovativen Ansatz zukunftsträchtige Forschungsarbeit – und schürt die Hoffnung, dass ein breiter Einsatz der Technologie das Wohlergehen von Menschen auf der ganzen Welt verbessern könnte.